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Kai Sender
Sozialarbeiter
Bremen
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Nicht jeder Mensch trauert – darf das sein?

Foto: Joshua Rawson-Harris | unsplash.com

Die erste Assoziation bei Tod ist Trauer. Wenn uns ein Mensch verlässt, sind wir traurig. Alte Menschen hinterlassen Lücken – auch wenn ihr Tod nicht unerwartet kam. Sterben junge Menschen nach einem Unfall oder einer Krankheit, sind die Hinterbliebenen oftmals starr vor Trauer und können sich kaum aus den Fängen befreien. Selbst Depressionen nach einem Trauerfall sind keine Seltenheit, so sehr trifft es uns, wenn wir jemanden verlieren. Je enger die Verbundenheit und je mehr Zeit wir im Alltag miteinander verbracht haben, desto größer ist die hinterlassene Lücke. Gewohnheiten werden sich ändern müssen; allein das stellt uns vor große Herausforderungen. Eingespielte Partnerschaften, das morgendliche Telefonat mit der Schwester oder der Spaziergang mit der Nachbarin – wenn Rituale im Spiel sind, entsteht eine Leere, die nicht immer auf einer engen Beziehung gründet und wir trauern auch um Menschen, die wir nur selten sehen oder mit denen wir nicht verwandt sind. Doch manchmal will sich die Trauer einfach nicht einstellen – sehr zum Befremden der Menschen um uns herum. Was können wir tun, wenn wir um eine Person trauern sollten, es sich aber nicht richtig anfühlt?

Zur Trauer verpflichtet?

Das Beerdigungsinstitut ist im Fall fehlender Trauer eine Hilfe. Wer nicht wirklich trauert, aber dennoch für die Beerdigung verantwortlich ist, darf sich mit gutem Gewissen für einen günstigen Bestatter entscheiden. Trauer ist keine Frage des Preises und wenn die Verbundenheit zur verstorbenen Person nicht groß ist, besteht keine Verpflichtung zu hohen Ausgaben. Ganz davon abgesehen, leisten auch preisgünstige Institute einen guten Service. Beinhaltet das Testament Wünsche in Bezug auf die Beerdigung, sollten diese speziellen Vorgaben nach Möglichkeit erfüllt werden. Ist das Budget dafür vorhanden und kann es aus dem Nachlass genommen werden? Sind mehrere Menschen im Testament berücksichtigt, ist es nicht selbstverständlich, dass alle damit einverstanden sind. Im Zweifel wird der Anwalt die Rechtslage beantworten können und auch die Mitarbeiter des Beerdigungsinstitutes können mit der Kostenaufstellung eine Hilfe sein. Vielleicht kommen Alternativen infrage, die finanzierbar sind und den Wünschen den Verstorbenen entgegenkommen? Auch wenn die Trauer sich nicht einstellt, können die Wünsche mit emotionalem Abstand erfüllt werden – dazu sind die Ansprechpartner vom Bestattungsinstitut da. Andere Hinterbliebene, Freunde und Nachbarn verabschieden sich ebenfalls im Rahmen einer Trauerfeier, daher ist ein offizieller Charakter wichtig. Wer sich ganz und gar nicht in die Planung einbringen möchte, überlässt die komplette Planung dem Bestatter; es besteht keine Verpflichtung, sich liebevoll an den Verstorbenen zu erinnern und kleine Geschichten und Erinnerungen mit anderen zu teilen.

Warum können manche Menschen nicht trauern?

Innerhalb einer Familie entstehen im Laufe der Zeit Spannungen, die sich nicht immer lösen lassen. Offene Aussprachen sind selten, manchmal erreichen wir damit das Gegenteil von dem, was wir beabsichtigt hatten. Wenn Unausgesprochenes lange schwelt oder verletzende Worte die Beziehung vergiften, entsteht ein Abstand, den wir nach vielen Jahren nicht mehr überbrücken können oder wollen. Ehen zerbrechen und Kinder verlieren den Kontakt zu einem Elternteil – dennoch können sie für die Bestattung verantwortlich sein und im Testament vorkommen. Manchmal distanzieren sich Kinder von ihren Eltern, insbesondere, wenn sie sich innerhalb einer neuen Patchworkfamilie nicht wohlfühlen. Neben diesen Geschichten gibt es auch Gründe, die schwerer wiegen wie z. B. Vernachlässigung oder Misshandlung. In dem Fall ist Trauer kaum die richtige Reaktion, Gleichgültigkeit oder sogar Freude über den Tod können überwiegen. Wer sich mit diesen Gefühlen nicht wohlfühlt, sollte sich an einen Therapeuten wenden und Altlasten aus der Kindheit oder Jugend aufarbeiten. Emotionaler Abstand kann aber auch gesund sein und ein Kapitel dann beendet werden. Der Abschied im Rahmen einer Trauerfeier bildet dann den endgültigen Schlusspunkt hinter eine Beziehung, die schon längst nicht mehr existiert.

Die Erlösung nach einer langen und schmerzhaften Krankheit führt auch manchmal dazu, dass Hinterbliebene nicht trauern können. Zu groß ist die Erschöpfung nach jahrelanger Pflege, zu intensiv waren die Monate, in denen ein geliebter Mensch in kleinen Schritten sterben musste. Langes Leiden ruft auch bei Mitmenschen schmerzhafte Erfahrungen hervor und Erleichterung bleibt nicht aus, wenn es endet. Viele Menschen fühlen sich bei diesen Gedanken schlecht, auch wenn der Verstorbene nun erlöst ist. Wir benötigen Zeit, um Abstand zur nahen Vergangenheit zu bekommen und die Erinnerung an schöne Jahre zu pflegen und zu hegen. Oftmals verstecken sie sich hinter den Anstrengungen der Krankheit und müssen erst wiederentdeckt werden – ein langer Prozess, der sich nicht bis zur Trauerfeier bewältigen lässt. Auch nach der Beerdigung dürfen wir uns in diesen Fällen die Zeit nehmen, zu trauern und uns mit dem Verlust auch die Vergangenheit wiederzuerobern. Wir müssen nicht sofort offensichtlich trauern, um einen Menschen zu vermissen – beides kann auch parallel stattfinden: Verlust und Erleichterung, Dankbarkeit dafür, das eigene Leben wiedergewonnen zu haben. Ein Therapeut ist für die Aufarbeitung einer pflegeintensiven Beziehung ein guter Begleiter.

Guck mal, gar keine Tränen! Wie das Umfeld mit fehlender Trauer umgeht
Welche Gründe auch immer ausschlaggebend sind, wenn wir uns ohne Trauer verabschieden – das Umfeld möchte es verstehen. Sensibilität ist nicht jedem gegeben und wir müssen uns auf neugierige Fragen oder sogar Kritik einstellen. Wer das ignorieren kann, ist im Vorteil. Doch den meisten von uns gelingt es nicht so leicht, sich von solchen versteckten Vorwürfen zu isolieren. Sind wir verpflichtet, anderen die Gründe für unser Verhalten zu erklären? Auf keinen Fall! Wollen wir, dass unsere Umgebung weiß, wie wir uns fühlen? Vielleicht! In einigen Situationen fühlt es sich einfach richtig an, von unseren Mitmenschen auch bei kontroversem Verhalten verstanden zu werden. Gehen die Gründe tiefer, haben vor allem Unbekannte kein Recht auf eine Erklärung – wie auch immer unsere Erscheinung bei der Trauerfeier ist. Wenn wir nicht teilnehmen, wenn wir uns entspannt mit Cousins und Cousinen unterhalten und auch mal lachen, wenn wir bei der Rede des Pastors nicht betroffen wirken – all das ist absolut legitim und muss nicht erklärt werden. Wenn wir dem Verstorbenen in diesem Fall keinen Respekt bezeugen wollen oder können – anderen könnte es schwerfallen, das zu verstehen. Bei aller fehlender Trauer sollten wir es anderen zugestehen, zu trauern und ihnen den Raum dafür lassen. Auch für böse Worte, Rache oder enthüllende Geschichten ist eine Trauerfeier nicht der richtige Ort. Menschen gehen im Laufe ihres Lebens verschiedene Beziehungen ein – zu Partnern, Freuden, Kindern, Nachbarn oder Kollegen, die den Verstorbenen mit anderen Augen gesehen haben. Jeder sollte sich auf seine Art und Weise verabschieden können – auch wenn uns selbst die Feier in dem Fall nichts bedeutet.